Tibet-Demo – aber nicht auf dem Bundesplatz
Eigentlich wollte die Tibetergemeinschaft für Menschenrechte und Demokratie in Tibet auf dem Bundesplatz demonstrieren – und zwar dann, wenn der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang eintrifft. Daraus wird jedoch nichts. Die Sicherheitsdirektion der Stadt Bern bewilligte zwar eine Kundgebung für den Freitagnachmittag. Allerdings muss diese mehrere Hundert Meter vom Bundeshaus entfernt auf dem unteren Waisenhausplatz stattfinden. Die Organisatoren wollten sich an die Vorgaben halten, sagte Gangshontsang Lobsang, Präsident der Tibetergemeinschaft, gestern. «Glücklich sind wir aber mit dem Standort nicht.» Lobsang rechnet mit einigen hundert Teilnehmern.
Denn die Organisatoren planten eigentlich eine Kundgebung auf dem Bundesplatz, damit der Gast aus China mit den Forderungen der Exil-Tibeter konfrontiert wird. Ob Li Keqiang mit seiner Wagenkolonne überhaupt den Bundesplatz überquert, ist aber offen. Möglicherweise werden die Gespräche mit der Dreierdelegation des Bundesrates auch auf dem Landsitz Lohn stattfinden. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten macht keine Angaben zum Ort des Empfangs. Im Zentrum des Besuchs von Li Keqiang und seiner grossen Delegation steht der Abschluss eines Freihandelsabkommens. Es sind Gespräche mit Bundespräsident Ueli Maurer, Aussenminister Didier Burkhalter und Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann geplant.
2009 griff die Polizei ein
Beim letzten Besuch eines chinesischen Ministerpräsidenten im Januar 2009 fand der Empfang im Bernerhof, Sitz des Finanzdepartements, statt – unweit des Bundesplatzes. Damals hatten die Behörden keine Demonstrationsbewilligung erteilt. Trotzdem hatten junge Tibeter an den Absperrgittern beim Bundesplatz «Free Tibet»-Schilder aufgehalten, in der Nähe des Bernerhofs schwenkten sie Fahnen. Die Polizei griff ein, obwohl sich die Demonstranten friedlich verhielten, und nahm 21 Personen fest. Doch Wen Jiabao bekam davon im abgeriegelten Bernerhof nichts mit. Klar ist, dass es am Freitag keinen öffentlichen Empfang auf dem Bundesplatz gibt.
Das unzimperliche Vorgehen der Polizei hatte 2009 im Berner Stadtparlament eine Nachlese zur Folge, bei der Polizei und Stadtregierung von links bis rechts heftige Kritik wegen Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit einstecken mussten. Der Berner Gemeinderat begründete das Eingreifen damit, dass der Bundessicherheitsdienst das Gefährdungspotenzial als gross eingestuft habe. Vor allem wollten die Bundesbehörden aber einen Eklat wie 1999 verhindern, als der chinesische Staatspräsident Jiang Zemin der Schweiz die «Freundschaft» aufgekündet hatte, weil er an tibetischen Demonstranten vorbeifahren musste. Erzürnt waren die Chinesen zudem, weil es Demonstranten auf Dächern hatte und dies ein Sicherheitsrisiko für die Staatsgäste bedeutete.
Aktionen nicht auszuschliessen
Die Vorgaben dürften auch beim Besuch vom Freitag die gleichen wie 2009 sein. Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) war aber daran gelegen, diesmal eine einvernehmliche Lösung mit den Tibetern zu finden. Eine solche sei nun erzielt worden, sagte Nause gestern. Die Organisatoren können jedoch nicht ausschliessen, dass es zu Aktionen am Bundesplatz kommt. Sie rufen aber dazu auf, sich an die Auflagen zu halten. Eine Konfrontation mit der Polizei diene den Anliegen der Tibeter nicht, sagte Lobsang. Nause hofft, dass die Demonstration diesmal «problemlos verläuft». Am Folgetag steht die Kantonspolizei erneut vor einem schwierigen Grosseinsatz: Am Samstag findet die nicht bewilligte «Tanz dich frei»-Kundgebung mit Tausenden von Teilnehmern statt.
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