Warum China auf der Wiedergeburt des Dalai Lama besteht

Die chinesische Zentralregierung in Peking besteht darauf, dass das geistliche tibetische Oberhaupt, der Dalai Lama, nach seinem Tod wiedergeboren wird. Das machten Regierungsvertreter in den vergangenen Tagen klar.

Zhu Weiqun, Vorsitzender des Rats für religiöse und ethnische Fragen im chinesischen Parlament, sagte, der seit einem missglückten Aufstand gegen die chinesische Besatzung Tibets 1959 im indischen Exil lebende Dalai Lama verrate "das tibetische Volk und die tibetische Religion", wenn er davon spreche, dass seine Seele nach seinem Ableben nicht im Körper eines Kindes wiedergeboren werden könne. Der von Peking eingesetzte Vorsitzende des Regionalparlaments von Tibet, Padma Choling, sagte bezüglich der Reinkarnation "das hat nicht der Dalai Lama zu entscheiden".

Peking will die Dalai-Lama-Nachfolge kontrollieren

Hintergrund des Streits über die Seelenwanderung sind Aussagen des Dalai Lama, dass es nach seiner Auffassung nicht unbedingt einen weiteren Dalai Lama geben müsse. Der 79-Jährige hatte in den vergangenen Monaten wiederholt gesagt, dass er seine politische Macht schon 2011 freiwillig abgegeben habe und die mehr als 500 Jahre alte Institution damit auch enden könne. Padma nannte diese Pläne am Montag "Blasphemie gegen den tibetischen Buddhismus".

Dass Peking sich plötzlich zum Verteidiger der Religion aufspielt und dabei schwere rhetorische Geschütze auffährt, hat politische Gründe. Peking will kontrollieren, wer die Nachfolge des tibetischen Führers antreten wird.

Wie das geht, hat China 1995 nach dem Tod des zweithöchsten tibetischen Würdenträgers, des Panchen Lama, gezeigt. Das damals von einem Gremium tibetischer Mönche als Reinkarnation des Panchen Lamas erkannte Kind wurde verschleppt und ist bis heute verschwunden. Gleichzeitig bestimmte China einen ihm genehmen Jungen, der heute in Peking zum linientreuen Kommunisten erzogen wird.

Der Chef der tibetischen Exilregierung, Lobsang Sangay, sagte am Dienstag, die Kommunistische Partei in China glaube an Atheismus und daran, dass Religion Gift sei. Jeder Anspruch Pekings, den Nachfolger des Dalai Lama zu benennen, sei lächerlich. "Das ist so, als ob Fidel Castro sagt 'Ich suche den nächsten Papst aus und alle Katholiken müssen dem folgen'."

Sollte der Dalai Lama tatsächlich entscheiden, dass mit seinem Tod die lange Reihe der Reinkarnationen zu einem Ende kommen soll, würde das einem von Peking bestimmten Nachfolger die Legitimation entziehen. Die Tibeter würden einen gegen den Willen ihres jetzigen Oberhaupts bestimmten Führer vermutlich nicht akzeptieren.

Proteste für ein freies Tibet

Die chinesischen Attacken gegen den Würdenträger müssen vor dem Hintergrund des 10. März betrachtet werden: Jedes Jahr wird an diesem Datum des vergeblichen Aufstands gegen die chinesische Besatzung gedacht. Am Dienstag gingen weltweit Tausende für ein freies Tibet auf die Straße. Oftmals kommt es an diesem Tag zu Selbstverbrennungen tibetischer Aktivisten.

Dass es am Dienstag nicht zu Selbsttötungen kam, war für den chinesischen Parlamentarier Zhu der Beweis, dass der Dalai Lama in Tibet an Einfluss verliere. Auch dessen Ansehen weltweit habe gelitten, sagte Zhu. Tatsächlich wurde der Friedensnobelpreisträger in den vergangenen Monaten von deutlich weniger Politikern und Würdenträgern empfangen. China sieht den Dalai Lama als gewaltbereiten Separatisten und versteht Treffen mit dem Mönch als Affront gegen die eigene Regierung.

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