Tibet ist ein Teil Chinas. Das stellt weder der Dalai Lama infrage, noch kann es ernsthaft bezweifeln, wer heute über das Dach der Welt reist. Die chinesische Präsenz ist nirgends zu übersehen. Oft könnte man sich in China wähnen, wäre man nicht den Wolken so nahe, in dünner Luft.

Im engen chinesischen Rahmen

Noch immer ziehen unzählige Pilger durchs Land. Nicht wenige umrunden den Jokhang-Tempel, das Hauptheiligtum in Lhasa, indem sie sich in rhythmischer Abfolge zu Boden werfen, mit Hand- und Knieschutz ein schleifendes Geräusch erzeugend. Die Gewandung der Frauen ist bodenlang, aus vielfältigen Stoffen und mit Schürzen in dezenten Farben. Die dunklen Haare sind mit bunten Bändern zu Zöpfen geflochten. Schmuck aus Silber und farbigen Steinen legt sich um Hals und Handgelenke und glitzert an den Ohren. Auch die Männer tragen vielfältiges Tuch und Hüte zum Schutz vor der intensiven Sonneneinstrahlung.

Doch der Rahmen, in dem sich der tibetische Kosmos von Tradition und Religiosität zu entfalten hat, ist überaus chinesisch. In Shigatse wirken die unermüdlich ihre Gebetsmühlen drehenden Gestalten zwischen den vielen Läden und luxuriösen Einkaufszentren schon fast etwas verloren. Das Tashilhunpo-Kloster, der Sitz des Panchen Lama, liegt heute am Rande einer boomenden chinesischen Stadt.

In einem glitzernden Luxushotel in durchaus stilvoller neotibetischer Architektur begegnet einem die undurchsichtig mafiös wirkende Welt des neuen chinesischen Reichtums. Im Auftrag eines Gastes, dessen Identität geheim bleiben muss, werden die beiden Ausländer im Restaurant hoch über der Stadt vom Bedienungspersonal mit verschwiegener Miene gefragt, woher sie kämen, was sie hier täten und in welchem Hotel sie logierten. Nach Bezahlen der Rechnung werden sie mit grosser Bestimmtheit so zum Lift geführt, dass sie den einzigen besetzten Tisch in dem Lokal nicht mehr zu passieren haben. Die Kellnerin bleibt stehen, bis sich die Lifttüren geschlossen haben.

Der KP zu Dank verpflichtet

Der Vizepräsident der Regierung der Autonomen Region Tibet, Bianba Zhaxi, macht deutlich, wer das Sagen hat auf dem Dach der Welt. Mit einer elfköpfigen Entourage empfängt er in einem opulenten Saal in Lhasa. Aus der Komfortzone eines weichen chinesischen Fauteuils entwirft der Tibeter in Diensten der Kommunistischen Partei (KP) das Bild vom Paradies. Vom überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 10,7 Prozent leitet er über zur Beschwörung von Harmonie, Frieden und Religionsfreiheit in Tibet. Ein Wunder der Zivilisationsgeschichte spiele sich hier ab, habe Tibet doch in fünfzig Jahren Feudalismus und Sklaverei überwunden, wozu Europa Jahrhunderte gebraucht habe. Wie so manche andere tibetische Funktionäre betont er, dass auch sein Vater ein Sklave gewesen sei. Dieser Hinweis soll offenbar die unumschränkte Macht der heutigen Elite rechtfertigen.

Dann erteilt er den anwesenden Journalisten mit gönnerhafter Attitüde Ratschläge, wie sie von Erfolg gekrönte Artikel über Tibet schreiben könnten. Erstens sei zu diesem Zweck die Entwicklung hervorzuheben. Etwa dass heute 98 Prozent der Bevölkerung eine Schule besuchen könnten, die durchschnittliche Lebenserwartung auf 68 Jahre gestiegen sei und die Bevölkerung wachse – alles Zeichen eines ausserordentlich glücklichen Lebens. Zweitens müsse betont werden, dass all dies nur dank der Kommunistischen Partei Chinas möglich gewesen sei. Eine grossartige Partei, die dem Volk diene und der die Tibeter mit grosser Dankbarkeit begegneten. Ganz zum Schluss der langen Eloge erwähnt Bianba Zhaxi in einem Satz noch, dass auch die Tibeter ein wenig zum Erfolg beigetragen hätten. Drittens sei darauf hinzuweisen, dass alle und alles von diesen Errungenschaften profitierten – die Menschen, die Umwelt, die Kultur und die Religionsfreiheit. Tibets Kultur gehöre zu den wertvollsten Elementen Chinas.

Weshalb diese harmonische, friedliche, glückliche und so dankbare Gesellschaft mit Polizei und Überwachungskameras an allen Ecken und Enden, mit Checkpoints, wo sich Helme, Schlagstöcke und Plasticschilde für jedermann sichtbar stapeln, kontrolliert werden muss, lässt sich nicht mehr fragen, denn es wartet das Bankett.

Das auch im übrigen China spürbar gewachsene Selbstbewusstsein der Hanchinesen manifestiert sich in Tibet nicht zuletzt in der grossen Zahl von Gebäuden der Partei, der Regierung und des Militärs. Hinter endlosen Mauern und streng bewachten Toren erstrecken sich ganze Bezirke mit Bauten im kasernenartigen Stil der chinesischen Herren. Mehr als beim letzten Besuch in den späten 1980er Jahren gewinnt man den Eindruck fest etablierter Dominanz Chinas. Damals begegnete man da und dort patrouillierendem Militär. Inzwischen hat sich dieses um die Städte herum niedergelassen und scheint die alltägliche Überwachung und Einschüchterung der stark aufgestockten und martialisch ausgerüsteten Polizei zu überlassen. So könne man sich als Ausländer doch sicher fühlen und jederzeit Auskünfte erhalten, wenn man sich verirrt habe, meint ein chinesischer Beamter. Ob seine Naivität echt oder gespielt ist, bleibt offen.

Die Bautätigkeit in und um Lhasa ist enorm. Vom Potala-Palast, dem früheren Sitz des Dalai Lama, schweift der Blick über eine bis an die umliegenden Berghänge ausufernde Stadt. Bis in weite Fernen ragen Kräne in den Himmel und sind die Umrisse riesiger, noch eingerüsteter neuer Quartiere zu sehen. In der Altstadt, um den Jokhang-Tempel und vor allem im Quartier nördlich von diesem, begegnet man noch mehrheitlich tibetischem Leben. Beim Tempel sind es vor allem Pilger, die zusammen mit den wenigen, zumeist chinesischen Touristen die Strassen bevölkern. Im Quartier dahinter scheinen in altem Gemäuer fast ausschliesslich Tibeter zu leben. Auch die einfachen Geschäfte und marktähnlichen Auslagen werden von Einheimischen betrieben, und es gibt hier keine Boutiquen und Galerien wie rund um den Tempel.

Gespräche im Verborgenen

In kleinen, zuweilen modisch eingerichteten Cafés und Bars sitzen abends junge Leute. Auch wenn sie Chinesisch verstehen, ist es schwierig, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Schnell geben sie Ausländern zu verstehen, dass es zu riskant sei, mit Fremden zu sprechen. Offener ist da ein Mönch in einem kleineren Tempel – vielleicht fühlt er sich sicher, weil nur ein schmaler Streifen fahlen Lichtes aus einem Fenster ins nächtliche Dunkel dringt. Er weiss, dass viele Tibeter in der Schweiz leben, und fragt uns, ob wir den Dalai Lama schon einmal getroffen hätten. Es sei sein grosser Wunsch, ihm einmal zu begegnen, denn er trage ihn in seinem Herzen. Als plötzlich ein Mann aus dem Dunkel zu uns tritt, ist das Gespräch abrupt beendet.

Taxifahrer scheinen sich weniger belauscht zu fühlen. Einer von ihnen, ein Chinese, bestätigt in ironischem Ton die vom Vizepräsidenten beschworene friedvolle Atmosphäre. Man müsse doch nur die an jeder Kreuzung installierten Kameras beachten, um zu erkennen, das Lhasa die friedlichste, weil am besten überwachte Stadt Chinas sei, meint er lachend. Ein tibetischer Fahrer sieht es weniger locker. Er habe nichts gegen Chinesen, aber mit deren Verwaltung hier gebe es viele Probleme. Es herrschten grosse Spannungen. Am liebsten würde er auswandern. Das sei aber sehr schwierig geworden, da Tibetern neuerdings Pässe vorenthalten würden und die Grenzen zu Nepal und Indien sehr viel strenger bewacht würden. Auch er betont, wie sehr er den Dalai Lama in seinem Herzen trage.

Die in Lhasa überall hängenden Spruchbänder und Plakate mit Losungen, welche Harmonie, Frieden und Glück unter der Führung der Partei beschwören, signalisieren die Anspannung sowohl auf chinesischer wie tibetischer Seite. Diese ist deutlicher zu spüren als Ende der 1980er Jahre. Das mag auch daran liegen, dass damals die politische Atmosphäre in China insgesamt lockerer und freier war als heute. Es war die Zeit vor dem Tiananmen-Massaker, als bis in die Führung hinein noch Diskussionen über die einzuschlagende politische Richtung geführt wurden. Heute wirkt die repressive Politik wie in Stein gemeisselt – und wird vom Regime als durch den wirtschaftlichen Erfolg legitimiert betrachtet.

Das gilt auch für Tibet. Die Argumentationslinien verschiedenster offizieller Stellen von den tibetischen Behörden über Parteigremien und die Zentralregierung bis zum Forschungszentrum für Tibetologie in Peking sind konsistent. Der Dalai Lama ist ein Staatsfeind, der die Abspaltung eines Viertels der chinesischen Landmasse betreibt. Deshalb kann es keine Verhandlungen mehr mit ihm geben. Überdies werden die Tibeter im Exil ohnehin nicht für befugt erachtet, bei tibetischen Angelegenheiten mitzureden. China dagegen hat Tibet, das seit je ein fester Bestandteil des Reichs der Mitte ist, friedlich aus dem Feudalismus befreit und es auf eigene Kosten modernisiert und entwickelt.

Sprunghafte Entwicklung

Einigermassen zutreffend ist nur der letzte Punkt. Tatsächlich ist die in Tibet in den vergangenen Jahrzehnten erfolgte Entwicklung punkto Infrastruktur, Agrar- und sonstige Wirtschaft enorm und beeindruckend. Fuhr man vor 25 Jahren noch stundenlang über Holperpisten von Lhasa nach Shigatse, so tut man das heute auf allen drei möglichen Routen auf hervorragend ausgebauten Strassen oder seit letztem August sogar in nur drei Stunden mit dem Zug. Nicht minder beeindruckend sind die zum Teil mit Hightech-Methoden betriebenen Anstrengungen zur Intensivierung der Landwirtschaft auf rund 4000 Metern über Meer. Der Anbau von Gerste und Weizen wird vorangetrieben. Zur Luft- und Bodenverbesserung ist an einem Nebenfluss des Yarlung bei Shigatse ein riesiges Aufforstungsprogramm mit Weiden, Pappeln und Japanischen Schnurbäumen in Angriff genommen worden. Und in Gyantse, das trotz Modernisierung noch einiges von seinem mittelalterlichen Charme bewahrt hat, zeigt einem der aus Schanghai stammende Parteisekretär eine landwirtschaftliche Versuchsanlage, wo Pilze gezüchtet, Tomaten, Paprika, Gurken und anderes Gemüse gezogen sowie Rosen, Orchideen und weitere Pflanzen zum Blühen gebracht werden.

Man fragt sich, ob der Mann aus Schanghai hier oben im abgelegenen Tibet gelandet ist, weil er einen grossen politischen Fehler begangen hat oder weil er mit besonderen Projekten seine Karriere befördern will. Jedenfalls investiert Schanghai viel in die Region Gyantse, die eine Art Schwesterstadt zu sein scheint. Solche Unterstützungsprojekte für Tibet gibt es auch seitens anderer chinesischer Städte und Provinzen. Sie sollen nicht zuletzt der Einheit Chinas dienen, was immer wieder sehr betont wird. Für viele Tibeter ist solche Hilfe gerade deshalb ein zweischneidiges Schwert. Überdies prallen dadurch auch immer wieder die sehr unterschiedlichen Welten der tibetischen Nomadenkultur und des chinesischen Modernismus aufeinander.

Natürlich geht es den Chinesen in Tibet um die Ausbeutung von Rohstoffen, um militärisch-strategische Anliegen und um politische Kontrolle. Dennoch kommen ihre Entwicklungsschritte der lokalen Bevölkerung zugute und ermöglichen ihr ein besseres, bequemeres und gesünderes Leben. Deshalb können viele Chinesen nicht verstehen, dass die Tibeter trotzdem unzufrieden sind, und empfinden dies als Undankbarkeit.

Suche nach Spiritualität

Es beginnt sich in der chinesischen Gesellschaft aber auch ein anderes Verständnis Tibets zu entwickeln. Darauf weist ein älterer Verkäufer von Thangkas, der Meditation dienenden buddhistischen Rollbildern, in Lhasa hin. Das Geschäft laufe nicht besonders gut, jammert der Mann, der sich unter anderem auch über die totale Überwachung durch die Behörden ärgert. Früher habe er vor allem westliche Kunden gehabt, doch diese blieben seit der Finanzkrise mehr und mehr weg. Dann sei allmählich ein Anstieg chinesischer Kunden zu verzeichnen gewesen. Diese hätten Thangkas teilweise in grosser Zahl gekauft, wahrscheinlich um sie an Geschäftskunden oder zu anderen Zwecken zu verschenken. Seit dem verstärkten Kampf gegen die Korruption in China sei solche Kundschaft wieder rarer geworden. Jetzt kämen meist in den Mittelstand aufgestiegene Chinesen auf der Suche nach anderen als materiellen Werten sowie nach Lebenssinn und Spiritualität. Diese kauften sehr gezielt und mit Interesse an Inhalt und Darstellung der Bilder, aber weniger auf einmal. Immerhin sei ihre Zahl steigend.

Interesse, ja Bewunderung von Chinesen für die immateriellen Werte der tibetischen Kultur begegnen einem mehrmals auf dieser Reise. Eine junge Chinesin aus der Provinz Anhui ist auf Anraten ihrer Mutter nach Tibet gereist und ist fasziniert davon, Menschen entdeckt zu haben, die in ihrer Spiritualität ruhend glücklich wirkten, obwohl sie materiell keine grossen Reichtümer besassen. Die junge Frau hat Arbeit bei den Behörden in Shigatse gefunden und möchte acht bis zehn Jahre auf dem Dach der Welt bleiben.

Eine ehemalige Studentin der Beida, die heute in der Administration der renommierten Universität in Peking arbeitet, ist in Tibet, um zu schauen, wie das von ihrer Alumni-Organisation gesammelte und gespendete Geld eingesetzt wird. Sie ist ebenso fasziniert wie irritiert davon, dass ihr tibetischer Taxifahrer lieber auf etwas Verdienst als auf die Einhaltung der zahlreichen religiösen Feiertage verzichtet. Dass es andere als materielle Werte gibt, dass Perspektiven bestehen, die über die Unmittelbarkeit des Heute und Morgen hinausweisen, treibt sie mehr und mehr um.

Unerträgliche Propaganda

Vielleicht kann ein differenzierteres Verständnis der tibetischen Kultur unter gebildeteren Chinesen dereinst zu einer Lockerung des eisernen Griffs führen. Doch der Weg dorthin ist lang. Nach wie vor – und im Vergleich zu den achtziger Jahren auch mit mehr Nachdruck und zur Arroganz neigendem Selbstbewusstsein – beharrt die chinesische Führung darauf, dass sie Tibet friedlich aus dem Feudalismus befreit hat.

Dazu lässt sie einen bei Gyantse in das zu einem Museum umgewandelte Haus eines Adligen führen, dessen Familie eng mit der Regierung des Dalai Lama verbunden und mit diesem 1959 ins Exil geflohen war. Gegenüber dem grossen luxuriösen Haus werden einem die dunklen und verdreckten Zellen der Sklaven gezeigt. Dann wird man zu einer angeblichen Nachfahrin der Sklaven gebracht, die heute in einem grossen, blumengeschmückten Haus wohnt, wo sie im Empfangsraum unter Fotos vom verstorbenen 10. Panchen Lama, von Präsident Xi Jinping und anderen Persönlichkeiten regelrecht vorgeführt wird.

Die arme, von allen Seiten bedrängte Frau vermag auf keine Frage zu antworten, sucht Hilfe beim Übersetzer, der letztlich für sie spricht. Die junge Reisebegleiterin aus Peking, die in Diensten der Informationsabteilung der Zentralregierung steht, fühlt sich bemüssigt, darauf hinzuweisen, wie dankbar die Frau doch gelächelt habe, als sie den Namen Xi Jinping ausgesprochen habe. Man glaubt sich in die Zeiten des Mao-Kults zurückversetzt.

Zurück in Peking darf aus Sicht der die Reise leitenden Regierungsstelle ein Besuch im Yonghegong, dem Lama-Tempel, nicht im Programm fehlen. Diese Anlage war ursprüngliche eine Residenz der Kaiserfamilie und wurde 1744 von Kaiser Qianlong in einen lamaistischen Tempel umfunktioniert. Yonghegong ist eines der grössten lamaistischen Heiligtümer ausserhalb Tibets. Doch nur rund zehn Tibeter sollen unter den etwa hundert Mönchen zu finden sein. Anders als in Tibets Tempeln bekommt man die Mönche kaum zu Gesicht. Treten sie beim Rundgang den offiziellen Besuchern aus dem Ausland zu nahe oder versuchen sogar, mit diesen ins Gespräch zu kommen, werden sie vom begleitenden Aufpasser mit eindeutigen Gesten sofort verscheucht.

Eine Stele und eine Urne

Die Botschaft, die hier vermittelt werden soll, ist klar. Qianlong hat nicht nur den Tempel eingerichtet, sondern auch auf einer Stele ein für alle Mal schriftlich festgehalten, dass der Kaiser allein über die Verleihung der Titel Dalai Lama und Panchen Lama wacht. Überdies ist in diesem Tempel die Nachbildung einer der goldenen Urnen ausgestellt, aus der die Lose zur Feststellung der gültigen Inkarnation tibetischer Würdenträger gezogen werden. Kaiser Qianlong höchstpersönlich soll im Jahre 1792 die Schaffung dieser Urnen überwacht haben, von denen eine im Jokhang-Tempel in Lhasa und eine im Lama-Tempel in Peking aufbewahrt wird.

Der Kaiser als Herr über die tibetische Geistlichkeit – Stele und Urne im Yonghegong dienen dem heutigen chinesischen Regime dazu, seinen Führungsanspruch auch in religiösen Fragen historisch zu legitimieren. Die vielen jungen Chinesinnen und Chinesen, die in Freizeitkleidung durch die weitläufige Anlage streifen und sich mit Räucherstäbchen und Verbeugungen der Andacht hingeben, wird das kaum interessieren. Sie kennen politisch ohnehin nichts anderes als die Omnipotenz der Partei. Dass sie hier ihre Religiosität privat ausleben können, genügt ihnen. Die politische Machtfrage hat in diesem Moment ganz offensichtlich weniger Bedeutung für sie als ihre ganz persönliche Suche nach anderen Werten des Glücks und neuen Lebensinhalten. Dass die Schicht dieser pragmatischen Gläubigen in China wächst, ist ein Zeichen gesellschaftlichen Wandels, welcher der Partei nicht sonderlich behagt, den Tibetern vielleicht aber dereinst mehr Verständnis seitens der Hanchinesen bringen könnte. Tibetische Kultur vermag nämlich auch Chinesen zu faszinieren.

Einen Kommentar schreiben (0)

Be the first to comment

Bitte addieren Sie 2 und 9.