Merkel besucht die Volksrepublik China
Das Verhältnis zwischen Deutschland und China sei hervorragend, heißt es derzeit aus Berlin. Vor fünf Jahren sah das noch ganz anders aus. Denn im September 2007 empfing Bundeskanzlerin Angela Merkel das geistliche Oberhaupt der Tibeter, den Dalai Lama, in Berlin. Bei einem Treffen im Bundeskanzleramt habe man nur Gedanken ausgetauscht, hieß es damals. Doch die Kanzlerin hatte auch zugesagt, den Dalai Lama bei seinem gewaltlosen Streben nach religiöser und kultureller Autonomie Tibets zu unterstützen. Die chinesische Regierung sah dies als Einmischung in ihre Innenpolitik. Im Jahr 2012 ist das Verhältnis zwischen Berlin und Peking besser denn je. So ist Deutschland das einzige Land, mit dem China Regierungskonsultationen unterhält. Genau zu diesem Zweck reiste die Bundeskanzlerin, zusammen mit sieben Ministern, zwei Staatssekretäre und einer Delegation von 20 Unternehmern, am Donnerstag nach Peking.
Wichtiger Handelspartner
Bei den bilateralen Gesprächen in Peking und Tianjin soll es vor allem um Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und der Volksrepublik gehen. Der Handel mit China hat sich in den vergangenen Jahren dynamisch entwickelt. So wuchsen die Exporte in dieses Land seit 1996 durchschnittlich um 17,8 Prozent. Im vergangenen Jahr betrug das Handelsvolumen zwischen Deutschland und China sogar 144 Milliarden Euro. Deshalb haben beide Parteien angekündigt, die Handelsbeziehungen weiter verstärken zu wollen. Auch deutsche Unternehmen wollen von dem Handel mit Peking profitieren und sandten Vertreter zu Gesprächen in die chinesische Hauptstadt. Bislang haben fast 4.000 Firmen aus der Bundesrepublik 26,5 Milliarden Euro in China investiert. Der europäische Flugzeughersteller Airbus konnte sich im Rahmen des Peking-Besuch der deutschen Delegation auch einen Großauftrag sichern. So hat die chinesische Leasingfirma ICBC Leasing 50 A320-Flugzeuge geordert. Die Modelle dieser Serie werden in einem Airbus-Werk in Tianjin, dem Geburtsort von Ministerpräsidenten Wen Jiabao, zusammengebaut; so das beide Seiten profitieren.
Streit um Piraterie und Preisdumping
Die Delegation aus 20 deutschen Unternehmern kam jedoch auch mit Forderungen nach Peking. So fordern die Vertreter der deutschen Wirtschaft etwa einen leichteren Zugang zu Chinas Märkten und einen besseren Schutz des geistigen Eigentums. Produktpiraterie und Markenfälschungen haben in der Volksrepublik Hochkonjunktur. Die deutsche Industrie beklagen vor allem, dass das Zertifizierungswesen der chinesischen Behörden für Waren aus Deutschland an Industriespionage erinnere. Peking kündigte nun an, sich dieser Problematik in Zukunft annehmen zu wollen. Zudem hatten einige europäische Firmen der Solarwirtschaft kürzlich zu einer Initiative zusammengeschlossen, um gegen ein angebliches chinesisches Preisdumping von Photovoltaikprodukten vorzugehen. Die Kanzlerin zeigte sich während einer Pressekonferenz mit Ministerpräsident Wen Jiabao jedoch gelassen bei diesem Thema. Statt ein Anti-Dumping-Verfahren einzuleiten, sollten die EU-Kommission und die chinesischen Verantwortlichen das Problem besser auf dem Gesprächswege lösen, so Angela Merkel.
Wie schon bei den vergangenen China-Besuchen der Bundeskanzlerin, wurde auch dieses Mal wieder spekuliert, ob sie den Spagat zwischen Kritik an Menschenrechtsverletzungen und freundschaftlicher Beziehung schafft. Auf der Agenda stehen Treffen mit Vertretern der chinesischen Zivilgesellschaft, doch Dissidenten wie der bekannte Bürgerrechtsanwalt Mo Shaoping oder Künstler Ai Weiwei stehen nicht auf Merkels Plan. Stattdessen wolle man mit Regierungsvertretern “privat” über die Menschenrechtssituation und die Pressefreiheit reden. Deutsche Auslandskorrespondenten hatten vor der Reise einen Beschwerdebrief an die Bundeskanzlerin geschrieben, in dem sie die Arbeitsbedingungen für Journalisten in China kritisieren. Diese seien von Willkür und Einschüchterungen geprägt. Merkel betonte in einer Pressekonferenz, dass eine objektive Berichterstattung der Journalisten dazu beitragen könne, sein Gegenüber zu verstehen und von ihm lernen zu können.
Hilfe für die Euro-Rettung
In den bilateralen Gesprächen zwischen der deutschen Delegation und den chinesischen Gastgebern ging man auch auf die neusten Entwicklungen in der Euro-Krise ein. So informierte Angela Merkel Ministerpräsident Wen über die aktuellen Beschlüsse der Euro-Partner. China kündigte an, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zusätzliches Kapital in Höhe von 43 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen zu wollen. Zudem habe man weiter in die Euro-Staatsanleihemärkte und in den Rettungsschirm EFSF investiert. Wen Jiabao äußerte in einer gemeinsamen Pressekonferenz zwar Besorgnis über die aktuelle Situation in Europa, er habe jedoch Vertrauen in die europäische Wirtschaft. “Ich bin stets der Auffassung, dass bei der Lösung der europäischen Schuldenkrise ein Gleichgewicht zwischen Sparmaßnahmen und Konjunkturprogrammen gefunden werden muss”, so der chinesische Regierungschef. Die EU-Kommission habe eine Reihe von wichtigen Maßnahmen auf den Weg gebracht, die sowohl die Symptome als auch die Ursachen bekämpfen.
Bilaterale Abkommen
Am ersten Tag der Regierungskonsultation unterzeichneten beide Länder insgesamt 13 Abkommen und Vereinbarungen. Diese sehen eine stärkere Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Energie, Medizin, Forschung und Umweltschutz vor. Am Freitag reist die Bundeskanzlerin weiter in die Hafenstadt Tianjin, wo es Gespräche mit Vertretern der Wirtschaft geben soll.
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