Rot geht gar nicht. Auch Rosen sind unerwünscht. Orange ist die Farbe der Wahl. Also stehen Strelizien und andere Blumen im Farbton der traditionellen buddhistischen Mönchskleidung in der Vase, einem bauchigen Gefäß mit Abbildungen von stilisierten Lotosblüten. Ein Symbol der Reinheit: Die schönste Pflanze, oft in trüben Gewässern zu finden, erhebt sich aus dem Schlamm, ohne davon berührt zu werden. Eine Schale mit frischem Obst steht bereit. Ebenso eine große Tasse mit Deckel, die Tee enthält. Und Kekse. Und Schokoladenkäfer. Aus der Sammlung des Museums Angewandte Kunst wurde zudem eine gülden glänzende Buddha-Figur ausgewählt, die jetzt neben der Sitzecke mit italienischen und skandinavischen Designermöbeln steht. Kürzlich erst ist hier die Ausstellung „108 Buddhas“ zu Ende gegangen.

Der Fünfziger-Jahre-Sessel, den Augusto Bozzi gestaltet hat, ist extrabreit, denn gelegentlich bevorzugt der Gast, sich im Lotussitz niederzulassen. Das orangefarbene Kissen, das darauf liegt, hat Museumsdirektor Matthias Wagner K von zu Hause mitgebracht. Das kleine Arrangement auf einem niedrigen Podest gemahnt an die meditative Ordnung eines Zen-Gartens. Im zweiten Obergeschoss des lichtdurchfluteten Frankfurter Richard-Meier-Baus wird der Dalai Lama erwartet, das Oberhaupt des tibetischen Buddhismus. Noch weilt der geistliche Führer, der seit 1959 im indischen Exil beheimatet ist, im Römer, wo es mit der Erleuchtung des Oberbürgermeisters offenbar etwas länger dauert, wie manche auf den Gängen des Angewandte-Kunst-Museums witzeln. Es herrscht eine gewisse Nervosität. Der Dalai Lama kommt nicht alle Tage.

„False Dalai Lama, stop lying“

Tibeter haben sich vor dem Museumseingang versammelt, um den höchsten spirituellen Meister ihres Glaubens zu begrüßen. Auf der anderen, der unmittelbar am Main liegenden Seite der Straße hat die Shugden-Gemeinschaft wie schon an den anderen Stationen seines Hessenaufenthalts Stellung bezogen. Deren Anhänger skandieren unentwegt „False Dalai Lama, stop lying“. Sie bezichtigen ihn, die Religionsfreiheit einzuschränken. Die Schutzgottheit nämlich, die sie verehren, erkennt Tenzin Gyatso nicht an, wie der Mönchsname des Dalai Lama lautet, den gerade im Westen sehr viele Menschen auch wegen seines unbefangenen Humors verehren. 70 Schüler aus 23 Schulen des Rhein-Main-Gebiets sind im Gebäude, ihm Fragen zu stellen. Er hatte sich ein Gespräch mit jungen Leuten gewünscht. Ein paar kleine Kinder sind auch da, um den Mann zu empfangen, der für die Gläubigen ein Bodhisattva ist, ein erleuchtetes Wesen, das eigentlich den Kreislauf der Wiedergeburt überwunden hat, sich aber aus Mitleid abermals reinkarniert, um den Menschen auf Erden zu helfen. Im Westen gilt er vielen schlicht als lebender Buddha, was nicht ganz falsch, aber angesichts der komplizierten Lehre des nördlichen Buddhismus auch nicht völlig richtig ist. Umso klarer sind die Botschaften des 14. Dalai Lama, der gerade 80 Jahre alt geworden ist: Das 21. Jahrhundert kann, wird er später sagen, trotz aller gegenwärtig ausgetragenen Konflikte, das Jahrhundert des Friedens werden.

Ein Sprengstoffspürhund schnüffelt sich schwanzwedelnd durch das Museum. Sicherheitsstufe drei. Unten fährt vom hauseigenen Parkplatz ein Lieferwagen auf den Weg zwischen Straße und Gebäude, stellt sich quer. Endlich: Die von Polizei eskortierte Limousine des Dalai Lama fährt durch den Nebeneingang für Autos zur Museumstür. Man will dem Gast wohl den Blick auf die Demonstranten ersparen. Der Museumsleiter begrüßt ihn kurz. Er fährt mit dem Fahrstuhl nach oben, Security-Leute begleiten ihn, Fotografen gehen rückwärts, hinter dem lächelnden Dalai Lama ein Tross von Kindern. Uns, drei Leute, hat das Sicherheitspersonal zu spät bemerkt. Auf der Brücke zwischen den beiden Museumsteilen begegnen wir der tibetischen Lichtgestalt. Er ergreift unsere Hände. Wir sind ergriffen. Ein kehliges Lachen noch.

Er nimmt Platz in dem sonst als Ausstellungsfläche genutzten Raum, um sich den Schülern zu widmen. Ein Übersetzer sitzt ihm zur Seite. Der Schauspieler Ralf Bauer, ein Freund Tibets und des Frankfurter Tibethauses, gibt den einzelnen Fragestellern jeweils bescheiden das Wort. Es geht um das Bewusstsein, welches das Gehirn prägt, um „Millionäre und Milliardäre“, die nicht glücklich sind, um China, Russland, Europa und darum, dass „der Feind der beste Freund ist“, weil man nur durch ihn echte Zuneigung lernt. Immer wieder scherzt der Weise aus Fernost mit den Schülern. Sein Gewand flattert im Ventilatorwind. Bis er freundlich den Wunsch äußert, das Gerät möge ausgeschaltet werden.

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