Bundesrat will Dalai Lama nicht empfangen
Wir sind zwar nicht Papst, aber immerhin besucht uns in einem Monat der Dalai Lama. Der Bundesrat rollt dem Friedensnobelpreisträger den roten Teppich allerdings nicht aus.
In einem Schreiben begründete Aussenminister Didier Burkhalter den Entscheid unter anderem damit, dass man keine Kontroverse anheizen wolle, «welche die recht häufigen Besuche des Dalai Lama als spirituelles Oberhaupt unnötig politisieren würde».
Allfällige Spannungen mit der Volksrepublik China, welche Regierungstreffen mit dem Dalai Lama als «Ermutigung für den tibetischen Separatismus» betrachtet, hin oder her: Für Ueli Maurer wäre das Treffen mit «seiner Heiligkeit» zweifellos zu einem Höhepunkt des Präsidialsjahrs geworden.
Ob ihn das Nein seiner Kollegen wurmt, war aus diplomatischen Gründen nicht in Erfahrung zu bringen. Und auch nicht, ob sich der bodenständige SVP-Bundesrat dem Dalai Lama verbunden fühlt.
«Wir sind immer ängstlich»
Ebenso unklar sind die wahren Gründe für die Absage. Es sei ein offenes Geheimnis, dass der Bundesrat die laufenden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit China nicht gefährden wolle, sagt Tiana Moser, GLP-Nationalrätin und Co-Präsidentin der parlamentarischen Gruppe Tibet.
Dabei gibt es durchaus wirtschaftsfreundliche Politiker, die das Risiko gerne eingegangen wären. «Ich hätte mich über einen Empfang des Dalai Lama gefreut», sagt beispielsweise BDP-Präsident Martin Landolt.
Es dürfe nicht sein, dass der Besuch eines Friedensnobelpreisträgers mit dem Abschluss eines Freihandelsabkommens in Verbindung gebracht werde.
Merkel hat Dalai Lama empfangen
Auch Kathy Riklin wünscht sich mehr Mut. «Wir sind immer ängstlich», moniert die CVP-Nationalrätin. Ihr Vorbild sei Angela Merkel, die das geistliche Oberhaupt der Tibeter 2007 trotz chinesischer Proteste empfangen hatte.
Etwas vorsichtiger ist SVP-Nationalrat Oskar Freysinger, wie Landolt und Riklin Mitglied der rund 30-köpfigen parlamentarischen Gruppe Tibet.
«Der Empfang des Dalai Lama vor dem Abschluss des Freihandelsabkommens könnte dieses in der Tat gefährden», gibt er zu bedenken.
«Aber nachher sollte so ein Empfang möglich sein» – für Ueli Maurer angesichts der Tatsache, dass die Verhandlungen seit Anfang 2011 laufen und noch kein Ende absehbar ist, ein schwacher Trost.
Schneider-Ammann wusste von nichts
Es ist allerdings sowieso fraglich, ob die Landesregierung dem Besuch viel Gewicht beimisst. Die an den Gesamtbundesrat gerichtete Aufforderung der parlamentarischen Gruppe Tibet, welche Burkhalter notabene beantwortet hat, entziehe sich seiner Kenntnis, sagte Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann letzte Woche vor dem Parlament.
Die Verfasserin des Schreibens, Tiana Moser, kann sich diese Aussage nicht erklären.
«Wenn Bundesrat Schneider-Ammann sagt, er wisse nichts von diesem Brief, dann glaube ich ihm das», sagt Landolt dazu. «Aber das ist ein schlechtes Zeichen für den Informationsfluss innerhalb des Bundesrats.»
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