60 Jahre Unterdrückung haben Tibet nicht gebrochen
Trotz der Risiken scheinen Chinas Machthaber entschlossen, keine Kompromisse zu machen und stattdessen auf den Tod des Dalai Lama zu warten. Immerhin feiert der religiöse Führer, der als Oberhaupt der tibetischen Exilregierung 2011 zurücktrat, im kommenden Jahr seinen 80. Geburtstag. „Peking hofft, bald seinen Nachfolger bestimmen und noch stärker in Tibet eingreifen zu können“, sagt Ulrich Delius, Asien-Referent der Gesellschaft für bedrohte Völker. Allerdings gab der Friedensnobelpreisträger im September 2014 bekannt, dass die Tradition der Dalai Lamas mit ihm zu Ende gehe. Politische Beobachter sehen in dieser Entscheidung eine Maßnahme, einer solchen Entwicklung vorzubeugen.
China funktioniert nur als zentralistischer Staat
Dem Ansehen Chinas in der Welt würde es nützen, wenn die Regierung ganz Tibet echte Autonomie gewähren würde. Doch offenbar lässt die Sorge um den eigenen Machterhalt eine solche Lösung derzeit in weite Ferne rücken. „Dieses Regime funktioniert nur in einem hyperzentralistischen Staat“, urteilt der Sinologe Jörg-Meinhard Rudolph vom Ostasieninstitut der Fachhochschule Ludwigshafen. Deshalb gehe es auch so erbarmungslos gegen andere Minderheiten, etwa die Uiguren vor, denn eine Föderation würde sein Ende bedeuten.
Kaum eine Regierung traut sich mehr, China zu kritisieren
Das Regime macht keine Zugeständnisse: „Es gibt zumindest auf chinesischer Seite die Befürchtung, dass Prozesse in Gang kommen, die nicht mehr zu kontrollieren sind“, glaubt Kelsang Gyaltsen, Sonderrepräsentant des Dalai Lama in Europa. Aber die Minderheiten weiter brutal zu unterdrücken dürfte für Peking nicht die bessere Alternative sein. Instabilität und Gewalt würden das Land auf Dauer erschüttern.
Dass der chinesische Druck auf die Tibeter in den vergangenen Jahren zugenommen hat, ist nicht nur innenpolitisch begründet. Weil China wirtschaftlich und politisch immer mächtiger wurde, traut sich kaum eine Regierung mehr, offen die Tibetpolitik zu kritisieren oder gar offiziell den Dalai Lama zu empfangen. Sogar die Teilnahme an einem für Oktober 2014 geplanten Treffen der Friedensnobelpreisträger in Kapstadt wurde ihm verwehrt. Zum dritten Mal innerhalb von fünf Jahren erhielt der Dalai Lama kein Visum für Südafrika. Chinas Regierung begrüßte das Einreiseverbot.
„60 Jahre chinesischer Kontrolle haben das Tibet-Problem nicht gelöst“
Ulrich Delius und Jörg-Meinhard Rudolph haben wenig Hoffnung für die Zukunft der Tibeter. Sie befürchten, dass die chinesische Besatzung die Kultur und Identität der Einheimischen immer weiter zerstören wird. Kelsang Gyaltsen hingegen gibt sich vorsichtig optimistisch: „In China nimmt das Interesse an tibetischer Religion und Kultur stetig zu. Da zeigt sich ein gewisser Wandel. Außerdem haben mehr als 60 Jahre chinesischer Kontrolle das Tibet-Problem nicht gelöst. Das ist eine unbestreitbare Tatsache.“
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